Wittenburg Illustrations
 

Das Projekt Kafka:

Die meisten Menschen sind mindestens einmal in ihrem Leben mit einem Text von Kafka in Berührung gekommen. Wenn nicht freiwillig, dann in ihrer Schulzeit. So war es auch bei mir und bis zu meinem nächsten Kontakt hat es dann mehr als 20 Jahre gedauert.

Zu verdanken habe ich diese Tatsache in erster Linie einem Wahlverwandten namens David Augscheller aus Südtirol. Er fand mich irgendwann auf Instagram und einige Zeit später veröffentlichte er ein Bild  mit einem Zitat aus der Geschichte “Vor dem Gesetz” von Kafka: "Vor dem Gesetz steht ein Türhüter. Zu diesem Türhüter kommt ein Mann vom Lande und bittet um Eintritt in das Gesetz. Aber der Türhüter sagt, daß er ihm jetzt den Eintritt nicht gewähren könne. Der Mann überlegt und fragt dann, ob er also später werde eintreten dürfen. »Es ist möglich«, sagt der Türhüter, »jetzt aber nicht.« Da das Tor zum Gesetz offensteht wie immer und der Türhüter beiseite tritt, bückt sich der Mann, um durch das Tor in das Innere zu sehn. Als der Türhüter das merkt, lacht er und sagt: »Wenn es dich so lockt, versuche es doch, trotz meines Verbotes hineinzugehn. Merke aber: Ich bin mächtig. Und ich bin nur der unterste Türhüter. Von Saal zu Saal stehn aber Türhüter, einer mächtiger als der andere. Schon den Anblick des dritten kann nicht einmal ich mehr ertragen." [Franz Kafka, Vor dem Gesetz, 1915]

Dieses Foto hat mich nicht mehr in Ruhe gelassen. Also griff ich zu meiner Ausgabe “Franz Kafka - Gesammelte Werke” und las die ganze Geschichte. Dabei entstand ein ganz eigenes Bild in meinem Kopf. Das Ergebnis:



Man könnte meinen, damit sei dann genug. Aber Kafka ließ mich irgendwie nicht mehr los. Selten hinterlassen literarische Texte solche Eindrücke und lösen derartige Bilder in meinem Kopf aus. So kommt es nun, dass ich, nachdem ich noch ein Portrait Kafkas nachgezeichnet habe, beschlossen habe, mich noch eingehender mit seinen Werken zu beschäftigen. Die Auswahl ist groß, aber ich habe schnell eine weitere Geschichte gefunden.

Diesmal geht es um “Der Kübelreiter”: "»Frau Kohlenhändlerin«, rufe ich, »ergebenen Gruß; nur eine Schaufel Kohle; gleich hier in den Kübel; ich führe sie selbst nach Hause; eine Schaufel von der schlechtesten. Ich bezahle sie natürlich voll, aber nicht gleich, nicht gleich.« Was für ein Glockenklang sind die zwei Worte ›nicht gleich‹ und wie sinnverwirrend mischen sie sich mit dem Abendläuten, das eben vom nahen Kirchturm zu hören ist!
»Was will er also haben?« ruft der Händler. »Nichts«, ruft die Frau zurück, »es ist ja nichts; ich sehe nichts, ich höre nichts; nur sechs Uhr läutet es und wir schließen. Ungeheuer ist die Kälte; morgen werden wir wahrscheinlich noch viel Arbeit haben.«
Sie sieht nichts und hört nichts; aber dennoch löst sie das Schürzenband und versucht mich mit der Schürze fortzuwehen. Leider gelingt es. Alle Vorzüge eines guten Reittieres hat mein Kübel; Widerstandskraft hat er nicht; zu leicht ist er; eine Frauenschürze jagt ihm die Beine vom Boden.
»Du Böse«, rufe ich noch zurück, während sie, zum Geschäft sich wendend, halb verächtlich, halb befriedigt mit der Hand in die Luft schlägt »du Böse! Um eine Schaufel von der schlechtesten habe ich gebeten und du hast sie mir nicht gegeben.« Und damit steige ich in die Regionen der Eisgebirge und verliere mich auf Nimmerwiedersehen.
 " [Franz Kafka, Der Kübelreiter, 1917]



Das Urteil (1912):

»Nein!« rief der Vater, daß die Antwort an die Frage stieß, warf die Decke zurück mit einer Kraft, daß
sie einen Augenblick im Fluge sich ganz entfaltete, und stand aufrecht im Bett. Nur eine Hand hielt
er leicht an den Plafond. »Du wolltest mich zudecken, das weiß ich, mein Früchtchen, aber
zugedeckt bin ich noch nicht. Und ist es auch die letzte Kraft, genug für dich, zuviel für dich. Wohl
kenne ich deinen Freund. Er wäre ein Sohn nach meinem Herzen. Darum hast du ihn auch
betrogen die ganzen Jahre lang. Warum sonst? Glaubst du, ich habe nicht um ihn geweint?
Darum doch sperrst du dich in dein Bureau, niemand soll stören, der Chef ist beschäftigt - nur damit
du deine falschen Briefchen nach Rußland schreiben kannst. Aber den Vater muß glücklicherweise niemand lehren, den Sohn zu durchschauen. Wie du jetzt geglaubt hast, du hättest ihn untergekriegt, so untergekriegt, daß du dich mit deinem Hintern auf ihn setzen kannst und er rührt sich nicht, da hat sich mein Herr Sohn zum Heiraten entschlossen!«




 

Ein Landarzt (1917):

"Mein eigenes Pferd war in der letzten Nacht, infolge der Überanstrengung in diesem eisigen Winter, verendet; mein Dienstmädchen lief jetzt im Dorf umher, um ein Pferd geliehen zu bekommen; aber es war aussichtslos, ich wußte es, und immer mehr vom Schnee überhäuft, immer unbeweglicher werdend, stand ich zwecklos da. Am Tor erschien das Mädchen, allein, schwenkte die Laterne; natürlich wer leiht jetzt sein Pferd her zu solcher Fahrt?"









In diesem Zusammenhang möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass es in der Stadt Meran in Südtirol im Jahr 2020 ein Gedenkjahr zu Ehren Kafkas geben wird! Mehr Informationen dazu finden sich hier. Vielleicht sieht man sich dort!

Und wer mehr zu David Augscheller wissen möchte, der kann sich hier auf seiner Seite umschauen.

(Stand: 18.01.2020)

 
 
 
 
Email